Kurz vor meinem Abflug erhalte ich von Liz noch eine Mail: Liebe Silke wir freuen uns sehr auf dich. „Es ist prima, dass du dich entschieden hast, bei mir auf der Finca zu wohnen, so kannst du dich noch besser mit den Hunden, Tascha, Sina und Don Pepito
anfreunden!“

Lese ich richtig? Mit Sina, der großen Braundogge Freundschaft schließen? Nie im Leben denke ich mir! Das ist schlichtweg unmöglich für mich. Denn Sina erinnerte mich an den Boxerhund, der mich attackiert hatte. Das war mir etwas zu ungeheuer und zu abenteuerlich. Mit so einem „Kampfschmuser“ wird nichts aus einer Freundschaft. Mit Tascha und Don Peptio hatte ich mich ja schon etwas vor meiner Kynophobie- Therapie angefreundet. Aber mit Sina?

Die Situation: Zur Begrüßung wird mir die Finca gezeigt. Liz und die drei Hunde sind auch immer dabei. Wir beobachten die Hunde beim Spielen.

Was den Hunden Spaß macht, sieht für mich allerdings etwas bedrohlich aus. Meine Trainerin Liz erklärt mir aber ganz genau das Rudelverhalten und dass die drei Hunde ein eingespieltes Trio sind.

Mir ist in dieser Situation ehrlich gesagt nicht so ganz wohl zumute. Es ist gut, dass meine Trainerin neben mir steht. Ich stelle mich mal vorsichtshalber in ihren Windschatten und hoffe insgeheim, dass sie es nicht bemerkt. Uffz! Das fühlt sich schon gleich viel sicherer an.

Am liebsten wäre ich aber wieder auf die andere Seite der Finca, in meinem Apartment verschwunden. Mal ausspannen und relaxen, nach meiner Anreise denke ich mir!

Aber mein Gefühl sagte mir: Am besten hältst du die Luft an und bewegst dich nicht!

Diese Power von zwei großen Hunden, dazwischen der flinke Don Pepito war einfach beeindruckend und für mich nicht einschätzbar. In dem eher kleinen Vorgarten „rasen“ die Hunde hin und her, das Gebell der drei ist heftig laut und für mich furchteinflößend.

Die Illy-Caffedose und die Freundschafts-Leckerlidose

Leckerchendose

Kaffeegenuss verbindet man ja für gewöhnlich mit ausspannen, relaxen und genießen! Genau darauf habe ich jetzt, nach meiner Anreise und zu Urlaubsbeginn Lust. Leider weit gefehlt!

Liz, meine Trainerin drückt mir eine alte, nostalgische Illy-Kaffeedose in die Hand. Lecker denke ich mir. Zur Begrüßung bekommst du einen Illy-Kaffee geschenkt! Da hatte ich mich leider zu früh gefreut.

Mit der Illy-Dose wartete sogleich Arbeit auf mich. Arbeit an mir selbst und an meiner Hundephobie.

Liz befüllt die Illy-Dose mit Hundeleckerlis und überreicht sie mir feierlich mit der Anweisung: „Ab sofort kannst du alleine das „Hundetor“ passieren!“ Was für mich so viel bedeutet wie: „Du nimmst an einem Feuerlauf- Workshop teil und läufst über glühende Kohlen.“ Nein, ganz im Ernst: Obwohl ich das Hundetrio erst seit ca. einer Stunde kannte, sollte ich jetzt, um von A nach B auf der Finca zu kommen, ganz alleine das „Hundetor“ und den Vorgarten samt tobender Hunde passieren?

Das kann doch nicht der volle ernst meiner Trainerin sein? Und das Ganze mit nur ein paar läppischen Hundeleckerli, in einer alten Kaffeedose, als meine Lebensversicherung?

Meine Gefühle und Emotionen liefen auf Hochtouren.

Leider blieb mir nichts anderes übrig, als meinen ganzen Mut zusammen zu nehmen, da dieser Weg durch das Hundetor und den schönen Vorgarten der einzige ist, um zum Apartment meiner Trainerin zu kommen.

Ab sofort wurde die Illy-Dose zu meinem ständigen Begleiter, während der gesamten zwei Wochen meines Kynophobie-Trainings.
Sie wird zum Inbegriff von Sicherheit, Vertrauen, Bekanntheitsgrad und meiner Beliebtheit bei den drei Therapiehunden.
Ich mache mir große Sorgen um meinen Adrenalinpegel.

Was ist, wenn das die Hunde riechen? Jetzt bloß cool bleiben! Die Hundeleckerli riechen bestimmt besser und sind interessanter.

Da ich exakt den Anweisungen von Liz, meiner Trainerin folge, nahm meine Angst etwas ab. Zuvor hatte ich mit ihr das Öffnen des Tores und das Passieren, – vorbei an den Hunden- ein paar Mal geübt. Ich spürte, dass sogar ein 100-maliges Wiederholen des Trainings mir immer noch nicht genug gewesen wäre. Jetzt war ich also auf mich alleine gestellt:

Ich schnappe mir die Illy-Dose und dachte mir:
Ok., alles klar und jetzt raus zu den drei Hunden und zu Liz!
Nein, halt denke ich mir und lege eine Vollbremsung, vor der Eingangstüre in meinem Apartment hin!
Vorsichtshalber übe ich noch mal den Ablauf, wie ich mich verhalten soll.
Sicher ist sicher, denke ich mir!

Aufgabe und Anweisung von meiner Trainerin

„Silke, das Hundetrio kennt dich bereits. Die haben dich als Familienmitglied schon registriert und akzeptiert. Du kannst schon, wenn du noch vor dem Hundetor stehst mit der Illy-Dose rascheln und ein paar Leckerli über das Gatter werfen und dann hereinkommen. Oder du nimmst ein paar Leckerli in die Hand und wenn die Hunde auf dich zugerannt kommen, dann wirfst du einfach immer wieder Leckerli vor dich auf den Weg hin. So bahnst du dir den Weg durch die drei bellenden Hunde, die am Hundetor auf dich zugestürmt kommen. Du musst die Hunde dabei nicht anschauen.

Schaue einfach an den Hunden vorbei. Ignoriere sie und werfe weiterhin deine Leckerli auf den Weg!
Atme tief durch und sei entspannt. Verhalte dich ruhig, laufe gemächlich und mach eher langsame Bewegungen. Aber sei dabei natürlich. Also, keine Hektik aufkommen lassen.“

Der Weg durch den Vorgarten bis zum Apartment von Liz ist wirklich nicht weit. Aber die ersten Male dachte ich, es wäre die Wegstrecke des Jakobswegs durch ganz Spanien. Doch ich befand mich ja auf Lanzarote, mitten in meiner Hundeangsttherapie.

Fazit und mein Lernerfolg nach 3 Tagen Training

Bilder der Vergangenheit, von meiner Attacke, vor allem wenn ich Sina, die große Braundogge vor mir sah, schossen mir in den Kopf. Sie erinnerte mich von der Statur her an den Boxerhund, der mich damals angegriffen hatte.

Ich versuchte mich auf Tascha und den kleinen Don Pepito zu konzentrieren. Es war sehr anstrengend und mühsam für mich, meine Gedanken zu disziplinieren, aber es gelang mir immer besser. Am dritten Tag bemerke ich, wie ich durch das mehrfache Üben – durch den Vorgarten mit den Hunden zu laufen – Routine bekomme. Ruhe und Vertrauen stellt sich bei mir ein.

Auch an das laute Gebell hatte ich mich gewöhnt und dem Heranstürmen von drei Hunde-PS sah ich nun gelassen entgegen. Es fing an mir Spaß zu machen und die Hunde mit einem „Sitz“ und Belohnungsleckerli aus meiner Dose zu belohnen. Zunächst nur für Tascha und Don Pepito. Später dann, wie ganz selbstverständlich auch für Sina.

Die alte Illy-Dose wurde damit zur Hunde-Freundschafts-Dose. Das ist ein großer Fortschritt für mich. Wenn ich bedenke, dass ich noch vor drei Tagen in Deutschland die Straßenseite gewechselt hatte, sobald ich einen großen Hund sah!

Dank meiner Trainerin, die mir zusätzlich auch viel Fachwissen über das natürliche Verhalten von Hunden und wie man die Hundesprache lesen und verstehen muss, vermittelte.

In der Dunkelheit sieht alles anders aus

Ach, wie langweilig wäre doch so ein Hundeangst- Training, wenn die, so gerade neu gewonnene Routine bestehen blieb.

Die Situation: Am dritten Tag – ich war schon recht stolz auf meine Fortschritte – lief ich erneut in der gewohnten Weise zu Liz durch den Garten. Leider war Liz nicht zuhause anzutreffen. Nun stand ich da! Vor verschlossener Türe, aber mit drei Hunden, die mich alle erwartungsvoll anschauten. Normalerweise wäre hier mein gewohnter Part zu Ende gewesen, da Liz aus ihrer Wohnung gekommen wäre. Jetzt war ich wirklich verunsichert.

Die Dämmerung brach so langsam herein, was mich noch mehr verunsicherte. So klemmte ich meine Dose ganz fest unter den Arm. Wie gut, dass sie noch halbvoll mit Leckerli war!

Meine Gefühle und Emotionen: Ich ärgerte mich über mich selbst! Ich empfand die Situation als einen Rückschritt in meinem Verhalten. Wieso habe ich jetzt plötzlich wieder Muffe?
Was sollen diese Gedanken in meinem Kopf?
Erwartete ich zu viel von mir?
Und das nach drei Tagen Therapie?
Nach mindestens zwanzig Jahren Hundeangst?

Mutig setzte ich den Rückweg in mein Apartment an. Immer schön meinen werfenden Leckerlis hinterher und die Hunde vorne voraus. Am Abend in der Dunkelheit sieht eben alles ganz anders aus.

Mein Lernerfolg und mein Fazit

Dennoch kann ich doch schon etwas stolz auf mich sein. Zumindest gehe ich aktiv meine Hundeangst an und befinde mich in einem Kynophobie-Training. Und ich bemerke so langsam, dass mein Gehirn ngstfrei mit Hunden zu leben. Denn ich weiß nun, dass ich den Hunden vertrauen kann. Ich muss nur noch mir selbst wieder voll und ganz vertrauen. Klar, ist auch immer eine gesunde Aufmerksamkeit gefragt.

Es sind Hunde; aber es sind gesunde, ausgebildete Therapiehunde und ich habe gelernt, wie ich mich richtig verhalten muss. Diesem Boxerhund, der mich damals attackierte, wurde wahrscheinlich das Warnen, in Form von Knurren, Bellen, Fletschen abtrainiert. So hatte er keine Möglichkeiten mehr, sein Unwohlsein zu äußern. Aus diesem Grund griff er wahrscheinlich mit voller Attacke und ohne Vorwarnung an.

Mit Sina anfreunden

Am zweiten Tag meines Aufenthalts bei Liz, gönnten wir uns ein köstliches Abendmahl mit Leckereien, die ganz phantastisch dufteten. Das weckte selbst die schnarchende Braundogge Sina aus ihren Hundeträumen auf.

Plötzlich bemerkte ich, dass etwas sehr Schweres auf meinem rechten „Oberschenkel“ lag . Mir blieb fast das Essen im Hals stecken, als ich realisierte, dass es der Kopf von Sina war. Sie fing auch nicht nach guter Hundemanier an zu „betteln“, denn am Esstisch gab es sowieso nichts für sie. Sina legte lediglich ihren Kopf bei mir ab, verhielt sich ruhig und schaute nur zu. Ich wusste nicht so recht, wie ich das finden sollte Wurde ich doch von einem solchen Boxerhund an meinem rechten Oberschenkel attackiert.

Sina bewegte sich nicht und ich rührte mich auch keinen Zentimeter vom Fleck weg. Lieber versuchte ich mich auf das interessante Gespräch mit Liz zu konzentrieren und auf unser leckeres Essen. Es war mir also ganz recht, wenn Liz am Tisch sitzen blieb. Stand sie aber auf, um in die Küche zu gehen und dort noch etwas zu holen, so war ich froh, wenn sie gleich wieder zurückkam.

Selbstverständlich hätte Liz auf meine Bitte hin, Sina auf ihren Hundeplatz geschickt. Aber ich gewöhne mich an die Situation und ich musste die vielen neuen Eindrücke erst einmal verarbeiten und für mich neu einordnen. So hatte ich eher das Gefühl einfach mal abzuwarten, ob Sina sich weiterhin mein Bein als Kopfablage nahm und mit Liz weiter zu tafeln.

Zu Gast bei Freunden und einem verzogenen Stafford Terrier

Staffort Terrier

Mein Letztes Erlebnis, das ich als Gast, bei Freunden mit einem Hundeschwergewicht, hatte, lag Jahre zurück. Leider war das Verhalten meiner Freunde, sowie ihrem unerzogenen American Stafford Terrier-Mix nicht gerade vorbildhaft. Das war im Freundeskreis allgemein bekannt. Ich wurde zu diesem Besuch überredet, mit dem Versprechen, dass der Hund ein Halsband trägt und dass man auf ihn und mich achtgeben würde, da man von meiner Kynophobie und meiner Attacke wusste.

Der Hund folgte nicht und blieb auch nicht auf seinem Hundeplatz liegen. Er blieb auch nicht in einem zumindest für mich charmanten Abstand. Sobald ich mit dem Hund am Tisch alleine gelassen wurde, da etwas aus der Küche geholt werden musste, machte sich der Stafford an die Arbeit, seine Eifersucht mir gegenüber auszuleben. Er zog mir das Kissen, auf dem ich saß, unter dem Hosenboden weg. Für mich war das ein unerträglicher Stress. Ich hielt meine Hände auf der Tischlplatte, da ich dachte, dass über meine schwitzenden Hände das meiste Adrenalin ausgeschüttet werden würde und der Hund es besonders riechen würde.

Als ich meinen Freunden sagte, was ihr Hund, während ihrer Abwesenheit tat, waren sie nur gerührt und verzückt, wie süß sie das doch von ihrem Hund fanden.

Die gleiche Szene spielte sich trotzdem so noch paarmal ab. Ich war so überfordert mit der Situation; am liebsten hätte ich losgeheult, um mir Luft zu machen. Ich fühlte mich in der Situation ausgeliefert.

Aber wohin hätte ich denn fliehen können?

Dieser Hund hätte ja genauso gut an meiner Hose herumzerren können und nicht nur am Sitzkissen.

Anstandshalber nahm ich noch am gemeinsamen Essen teil und verließ dann die Einladung so schnell ich konnte.
Ich habe nie wieder dieses Haus mit diesem Hund betreten! Erst als ich zur Haustüre raus war, begriff ich, dass ich bei Leuten zu Gast war, die mit Stolz und voller Ironie ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Der tut nix“ tragen würden. Der Kontakt mit dem verzogenen Stafford Hund hatte sich dann eines Tages von selbst erledigt. Die Freunde zogen in eine andere Stadt. Dort war es Vorschrift, dass der Stafford-Mix einen Wesenstest, der von der Polizei abgenommen wird, bestehen musste.

Erst dadurch ging den Freunden ein Licht auf, dass sie mit dem Hund und seinem Verhalten auf keinen Fall die Prüfung bestehen würden. Dem Stafford drohte also, bei Nichtbestehen des Wesenstest die Abgabe in das Tierheim.

Jetzt könnt ihr vielleicht verstehen, weshalb es mir ganz recht war, wenn Liz nicht in die Küche lief, um etwas zu holen, solange Sina ihren Kopf bei mir ablegte. Aber ich musste lernen, mein alt gewohntes Gedankenmuster umzuschalten! Ich war „jetzt“ zu Gast bei Liz, einer ausgebildeten Hundetrainerin, samt ihrem ausgebildeten Hundetrio und bei einer Kynophobie-Therapie.
Trotzdem konnte ich von mir, mit meiner Hundeangst nicht erwarten, dass ich Sina, am zweiten Tag meiner Therapie äußerst kuschelig fand. Das sollte sich jedoch später noch ändern.

Mit Sina den Sitzplatz teilen

Mit Sina den Platz teilen

Am dritten Tag besuchte ich wieder Liz in ihrem Apartment. Wir wollten die anstehenden Klientenbesuche, an denen ich teilnehmen durfte, besprechen. Liz bot mir einen Platz auf ihrer Eckbank an. Als ich mich auf meinen Sitzplatz begeben wollte, sah ich, dass Sina genau dort unter dem Tisch lag.

Ich weiß noch, wie ich zu Liz sagte: Ich kann nicht dort hinten sitzen! Liz fand das etwas merkwürdig. Saß ich doch schon zwei Tage zuvor an diesem Platz. Das ist richtig, aber da lag keine Sina von vorneherein genau auf diesem Platz, wo ich hätte meine Füße unterbringen müssen.

Ich vertraute mir und Sina nach wie vor nicht.

Liz ermutigte mich, ich solle mich einfach hinsetzen, Sina würde dann automatisch zur Seite gehen. Was für eine Überwindung für mich!

Also schlich ich mich auf leisen Sohlen nach hinten auf die Eckbank. Sina machte mir dann tatsächlich etwas Platz und schlief weiter.
Schlafend war sie mir so an meinen Füßen, in den ersten Therapietagen dann doch am liebsten.

Hinweis: In meinem Kynophobie-Tagebuch habe ich ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen geschildert.
Ich mache keine medizinischen und psychotherapeutischen Aussagen. Bei Angstzuständen oder sonstigen Erkrankungen gilt es einen Arzt und Psychotherapeuten aufzusuchen.

Quellenangabe: Thenounproject.com Lizenzfreie Icons.